Zu Beginn des Jahres 2016 waren Gemeinden bundesweit händeringend auf der Suche nach leerstehenden Gebäuden und Wohnungen, um die ihnen von den Ländern zur Unterbringung zugewiesenen Migranten auch tatsächlich unterbringen zu können. Oftmals wurden dabei Mietvereinbarungen getroffen, insbesondere hinsichtlich der Höhe des Mietzinses, die es unter normalen Umständen so wohl kaum gegeben hätte. Verständlich, dass sich mancher Gemeindekämmerer aufgrund der Normalisierung der Lage nunmehr von solchen oft für die Kommune ungünstigen Verträgen zu lösen sucht. Nur geht das nicht ganz so einfach.
Prozesshandlungen können zwar bei unverschuldeter Fristversäumnis nachgeholt werden, allerdings müssen sie dann auch aus sich heraus wirksam sein.
Der Zugang zu den Gerichten ist ein hohes Gut und darf daher unter anderem auch nicht durch überzogene Formanforderungen beschränkt werden. So kann es für die Wirksamkeit etwa einer Rechtsmittelbegründung ausreichen, wenn zwar diese nicht selbst von einem postulationsfähigen Anwalt unterschrieben ist (§ 130 Nr. 6 ZPO), die Urheberschaft des postulationsfähigen Anwalts sich aber anderweitig, etwa mittels eines unterschriebenen Begleitschreibens, an welches die Rechtsmittelschrift fest verbunden – „getackert" – ist, unschwer ersehen lässt. Anderenfalls ist die zu wahrende Frist, etwa eine Frist zur notwendigen Begründung eines eingelegten Rechtsmittels, nicht gewahrt … und es bleibt womöglich nur die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 234 ff. ZPO).
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Geschrieben von RA Christoph WilhelmLAW Aktuell 28.11.2019: Beschäftigung nur in der Badesaison: Keine unangemessene Benachteiligung
BAG, Urt. v. 19.11.2019 – 7 AZR 582/17 (LAG Niedersachsen)
ArbRAktuell, Heft 24/2019, S. 581
Beschäftigung nur in der Badesaison: Keine unangemessene Benachteiligung!
Der Kläger war seit Juli 2000 bei der beklagten Gemeinde, die ein Freibad betreibt, tätig. Nach dem Arbeitsvertrag vom 1. April 2006 wurde der Kläger als jeweils für die Saison vom 1. April bis zum 31. Oktober eines Kalenderjahres eingestellt. Im (unbefristeten) Arbeitsvertrag wurde u.a. geregelt: „Herr X wird als vollbeschäftigter Arbeitnehmer jeweils für die Saison vom 01.04. bis 31.10. eines Kalenderjahres eingestellt".
Der Kläger wurde seitdem - 10 Jahre in Folge - auf Basis dieser Vereinbarung für die Badesaison in den Monaten April bis Oktober eines jeden Jahres beschäftigt und vergütet. Die Beschäftigung erfolgte fast ausschließlich im gemeindlichen Freibad als Badeaufsicht. Zur Badesaison 2016 wurde von der beklagten Gemeinde unbefristet eine „Fachkraft für Bäderbetriebe" eingestellt.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Befristungsabrede vom 1.04.2006 am 31.10.2016 aufgelöst wurde und dass das Arbeitsverhältnis über den 31.10.2016 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht.
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Geschrieben von D.D.LAW Aktuell 27.11.2019: Und raus bist Du! Unzulässige Drohung mit Anschlusssperre bei Gebührenstreit
OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 24.10.2019 – 6 U 14/18
Mobilfunkunternehmen dürfen ihren Kunden jedenfalls dann nicht mit einer Anschlusssperre drohen, wenn diese die ihnen in Rechnung gestellten Gebühren plausibel bestreiten.
Aus dem Alltag sind sie für viele nicht mehr wegzudenken, mancher bekommt ersichtlich sogar regelrechte Entzugserscheinungen, wenn er oder sie längere Zeit im Funkloch festhängt: Smartphones, mit denen man stets online ist. Erste Studien zeigen auf, dass nicht wenige Zeitgenossen sogar deutlich über 100mal täglich (!) ihr Gerät zücken, um sich „auf dem Laufenden" zu halten. Entsprechend groß dürfte der Schrecken sein, wenn der eigene Mobilfunkbetreiber da plötzlich mit einer Anschlusssperre droht, was er auf der Rechtsgrundlage des § 45k Abs. 2 TKG sogar darf.
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Geschrieben von D.D.LAW Aktuell 26.11.2019: „Darf‘s ein bisschen mehr sein?“ Es muss! Von wegen „War nicht beauftragt“!
OLG Düsseldorf, Urteil v. 17.10.2019 – 21 U 43/18
Zu den vertraglichen Pflichten einer Autowerkstatt im Zuge der Übernahme eines Reparaturauftrags gehört es auch, unaufgefordert auf einen weitergehenden, über den eigentlichen Reparaturauftrag hinausgehenden Reparaturbedarf hinzuweisen.
„Darf’s ein bisschen mehr sein?" ist eine in (guten) Metzgereien noch zu hörende Frage, wenn aus den 200 g Aufschnitt mal wieder fast 300 g geworden sind … man hat das ja auch wirklich nicht immer im Griff. Geht es dort nur um ein paar Cent oder bestenfalls Euro, sieht das bei Werkstattbesuchen selbst bei Kleinfahrzeugen oft ganz anders aus. „Wir haben festgestellt, dass … Das haben wir dann gleich mitgemacht.". Und schon hat sich der vormalige Kostenvoranschlag überholt und die Rechnung nicht selten um drei- oder sogar vierstellige Beträge erhöht. Das muss einem nicht immer gefallen, zumal wenn es um eher „nachrangige" Maßnahmen wie das Nachfüllen von Wischwasser geht. Andererseits gilt: Wer sein Fahrzeug zur Reparatur bringt, darf darauf vertrauen, dass er zumindest auf einen bemerkten weitergehenden Reparaturbedarf in unmittelbarem Zusammenhang mit der eigentlichen Reparatur hingewiesen wird … „muss es also nicht doch vielleicht etwas mehr sein?".
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Geschrieben von D.D.LAW Aktuell 25.11.2019: Guter Wein in alten Schläuchen – gilt nicht bei der Miete! Mietspiegel außer Dienst
BGH, Urteil v. 16.10.2019 – VIII ZR 340/18
Ein 20 Jahre alter Mietspiegel ist dermaßen veraltet, dass mit ihm kein Mieterhöhungsbegehren wirksam begründet werden kann.
Guter Wein wird mit zunehmendem Alter bekanntlich immer besser und wertvoller. Auch Antiquitäten und sonstige Raritäten gewinnen in der Regel mit dem Alter eher an Bedeutung und Wertschätzung. Anders sieht das allerdings bei Informationssammlungen wie etwa eine (qualifizierten) Mietspiegel aus.
Dies musste eine Hausverwaltung erfahren, die mit einem Mietspiegel aus dem Jahre 1998 versucht hatte, ein Mieterhöhungsverlangen für ein erst im Jahre 2014 begründetes zu rechtfertigen. Die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung gem. § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB blieb in allen drei Instanzen, vom Amtsgericht bis zum Bundesgerichtshof, erfolglos. Die Richter am BGH bestätigten die schon vom Amtsgericht vertretene Rechtsauffassung, wonach ein Mietspiegel, d er gem. § 558a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 BGB zur notwendigen Begründung eines Mieterhöhungsverlangens herangezogen werde, ein gewisses Maß an Aktualität aufweisen müsse.
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