LAW Aktuell
Geschrieben von Ingo GoldLAW Aktuell 20/17 ZR
BAG, Urteil vom 26. Oktober 2016, Az. 7 AZR 135/15 = BAGE 157, 125 = NZA 2017, 382 sowie BAG, Urteil vom 12. April 2017, Az. 7 AZR 436/15 = NZA 2017, 1253
Kettenbefristung bei sog. mittelbarer Vertretung: institutioneller Rechtsmissbrauch und seine Grenzen
Sounds:
1. Der Befristungsgrund Vertretung (§ 14 I 2 Nr. 3 TzBfG, § 21 I BEEG) kann auch im Falle einer sog. mittelbare Vertretung vorliegen, wenn nämlich die Tätigkeit des zeitweise ausgefallenen Mitarbeiters nicht von dem Vertreter, sondern von einem anderen Arbeitnehmer oder von mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt wird.
2. Besteht ein Sachgrund für die Befristung eines
Arbeitsvertrags nach § 14 I TzBfG, ist eine umfassende Kontrolle nach
den Grundsätzen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB)
i.d.R. geboten, wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses acht
Jahre überschreitet oder mehr als zwölf Verlängerungen des befristeten
Arbeitsvertrags vereinbart wurden oder wenn die Gesamtdauer des befristeten
Arbeitsverhältnisses sechs Jahre überschreitet und mehr als neun
Vertragsverlängerungen vereinbart wurden. BAG, Urteil vom 29. Juni 2017,
Az. 2 AZR 302/16 = NZA 2017, 1121 Sounds: 1. Eine sexuelle Belästigung i.S.v. § 3 IV AGG stellt
nach § 7 III AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist
„an sich" als wichtiger Grund i.S.v. § 626 I BGB geeignet. Ob die
sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt,
ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, u.a. von ihrem Umfang und ihrer
Intensität. 2. Die absichtliche Berührung primärer oder sekundärer
Geschlechtsmerkmale eines anderen ist sexuell bestimmt i.S.d. § 3 IV
AGG. Es handelt sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre. Auf eine
sexuelle Motivation der Berührung kommt es nicht an. Kein Nachbarschutz durch das Genehmigungsverfahren als solches – selbst wenn dabei drittschützende Regelungen auf der Strecke bleiben Sound: Für den baurechtlichen Nachbarbegriff ist auf die räumliche
Reichweite des konkreten Vorhabens abzustellen. Die Wahl des falschen
Genehmigungsverfahrens verletzt den Nachbar selbst dann nicht in seinen
Rechten, wenn dadurch drittschützende Regelungen, die eigentlich hätten geprüft
werden müssen, unberücksichtigt bleiben. Sachverhalt: B erhält auf seinen Antrag hin vom örtlich zuständigen
Landratsamt L eine Baugenehmigung zum Einbau einer Lackiervorbereitung und
Lackieranlage in bestehende Räumlichkeiten sowie den Anbau eines Aggregateraumes
an sein Gebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. 322 in der Ortschaft Waldburg,
Landkreis Augsburg. Das Baugrundstück ist an drei Seiten von Wohnbebauung
umgeben, östlich des Baugrundstücks schließt sich unbeplanter Außenbereich an. Musterbeispiel für eine willkürliche Gerichtsentscheidung, wenn ein Zivilgericht Grundrechte ignoriert Sound: Die öffentliche Hand ist unabhängig von Organisations- und
Handlungsform unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Es stellt einen Verstoß
gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, wenn eine Gemeinde - oder die mit der
Leitung der Einrichtung betraute juristische Person des Privatrechts - unterschiedliche
Eintrittspreise für die Nutzung eines Freizeitbades festsetzt.
Gerichtsentscheidungen sind willkürlich, wenn eine offensichtlich einschlägige
Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden
oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird Sachverhalt: B ist österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in
Österreich. Im Juli 2010 besuchte er in seinem Urlaub ein erheblich von
Touristen besuchtes Freizeitbad in Bad Reichenhall, das von der BR-Freizeit-GmbH
betrieben wird, Alleingesellschafter ist die Stadt Bad Reichenhall. Einwohnern von
Bad Reichenhall wird ein Nachlass auf den regulären Eintrittspreis von etwa
einem Drittel gewährt, diesen erhält B nicht. VGH München, Urteil vom 06.04.2016,
Az 10 B 14.1054, www.gesetze-bayern.de Sind Hunde überall gefährlich? Neues zum
Maulkorbzwang
Sound: Eine Anordnung bzgl. einer Maulkorbpflicht außerhalb
bebauter Ortsteile setzt eine Prognose voraus, dass der Hund auch ohne
„Publikum" Rechtsgüter gefährdet. Die Zugehörigkeit zu einer Rasse alleine
reicht für diese Gefahrenprognose nicht aus. Sachverhalt: K wohnt
in der kreisangehörigen Gemeinde Brunndorf, Oberbayern. Er ist Halter des
American Bulldog-Mischlings „Jim", der eine Schulterhöhe von über 50cm aufweist.
Für den Hund existiert ein aktuelles Gutachten, wonach bei „Jim" keine
gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren
festgestellt werden könne. BGH, Urteil vom 23.05.2017, VI ZR 261/16 = jurisbyhemmer I. Sound: 1 Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung
ist grundsätzlich nicht vererblich. 2. Dies gilt auch, wenn
der Anspruch noch zu Lebzeiten des Geschädigten anhängig oder rechtshängig
geworden ist. II. Problem: Nicht selten wird eine Verletzung des APR keine materiell-rechtlichen
Schäden hervorrufen. Da in der Regel die Wiederherstellung des ursprünglichen
Zustands unmöglich bzw. jedenfalls zur Entschädigung nicht genügend ist, und
daher auch § 249 BGB nicht in Betracht kommt, würde ein Entschädigungsanspruch
gem. § 251 I BGB grundsätzlich wegen § 253 I BGB scheitern. Das wiederum würde aber bedeuten, dass eine Verletzung des
APR häufig vollständig entschädigungsfrei bliebe. Daher wird unmittelbar aus
Art. 1 I, 2 I GG nicht nur das APR selbst abgeleitet, sondern auch ein Anspruch
auf eine billige Entschädigung in Geld als (ungeschriebene) Ausnahme zu dem
Grundsatz, dass bei rein immateriellen Schäden eine Entschädigung in Geld nicht
geschuldet sein soll. OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.04.2017 – 1 Ws
42/17 =
jurisbyhemmer Sound: Die Bestimmung einer anderen Person zu einer straflosen
Selbstbezichtigung bezüglich einer Ordnungswidrigkeit ist – ohne Hinzutreten
weiterer, eine Tatherrschaft begründender Umstände – nicht als falsche Verdächtigung
in mittelbarer Täterschaft zu qualifizieren, sondern mangels teilnahmefähiger
Haupttat als straflose Anstiftung. 1. Kurzsachverhalt(vereinfacht und abgewandelt): A hat eine Verkehrsordnungswidrigkeit
begangen. Um sich einer Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zu entziehen,
entwickelt er folgenden Plan: B, welcher dem A sehr ähnlich sieht, soll sich
auf dem Zeugenfragebogen der Bußgeldbehörde selbst zu Unrecht der Täterschaft
an der Ordnungswidrigkeit bezichtigen. Die Bußgeldbehörde soll dadurch in die
Irre geführt und veranlasst werden, das Bußgeldverfahren zunächst gegen B zu
führen. Gegen den an B ergehenden Bußgeldbescheid soll dieser Einspruch
einlegen und im anschließenden Einspruchsverfahren A als wahren Fahrzeugführer
angeben. Daraufhin soll das Verfahren gegen B eingestellt werden bzw. ein
Freispruch erfolgen. In der Zwischenzeit soll das Verfahren gegen A verjährt
sein, so dass er diesbezüglich nicht mehr verfolgt werden kann. B ist mit
diesem Vorgehen einverstanden. Der Plan des A wird daraufhin in die Tat
umgesetzt; alles ereignet sich so, wie von A beabsichtigt. Strafbarkeit von A
und B nach dem StGB? BAG, Urteil vom
22. März 2017, Az. 10 AZR 448/15; vgl. auch NZA 2017, 845 Unwirksamkeit eines Wettbewerbsverbots ohne Zusage einer Karenzentschädigung: Bedeutungslosigkeit von salvatorischen Klauseln! Sounds: 1.
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die zuungunsten des Arbeitnehmers von den
gesetzlichen Vorgaben (§§ 74 ff HGB i.V.m. § 110 S. 2 GewO)
abweichen, vor allem eine Karenzentschädigung vorsehen, die nicht die
gesetzliche Mindesthöhe erreicht, sind regelmäßig unverbindlich. Dadurch wird
dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht eingeräumt. 2. Ein
nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das entgegen § 74 II HGB keine
Karenzentschädigung enthält, ist aber kraft Gesetzes vollkommen nichtig. Eine
salvatorische Klausel ist nicht geeignet, diese Folge zu beseitigen oder zu
heilen. Der Arbeitnehmer hat in einem solchen Fall keinen Anspruch auf Zahlung
einer Karenzentschädigung, auch wenn er sich – etwa aus Rechtsunkenntnis – an
das Wettbewerbsverbot gehalten hat. BAG, Urteil vom 28. März 2017, Az. 2 AZR
551/16 = NZA 2017, 985 Arbeitsgerichtsbeschluss über Entlassungsverlangen des Betriebsrats: ordentliche Kündigung gerechtfertigt, nicht aber fristlose Sounds: 1. Das Verlangen
nach „Entlassung" gemäß § 104 S. 1 BetrVG bzw. eine Verpflichtung des
Arbeitgebers im Verfahren nach § 104 S. 2 BetrVG, „die Entlassung"
durchzuführen, ist auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses des betroffenen
Arbeitnehmers, nicht nur auf eine Beendigung seiner Beschäftigung in dem
bisherigen Betrieb gerichtet. 2. Der
rechtskräftige Beschluss im Verfahren nach § 104 S. 2 BetrVG
begründet ein dringendes betriebliches Erfordernis i.S.d.
§ 1 II 1 KSchG für eine ordentliche arbeitgeberseitige
Kündigung. BGH,
Beschluss vom 1. Februar 2017, Az. XII ZB 71/16 = NJW 2017, 1946 =
FamRZ 2017, 603 Sounds: 1. Auf einen
gerichtlich festgestellten Vergleich nach § 278 VI ZPO findet
§ 127a BGB entsprechende Anwendung, weil eine planwidrige Regelungslücke
existiert und das Verfahren nach § 278 VI ZPO auch die mit einer
notariellen Beurkundung verbundenen Schutzzwecke in gleicher Weise wie die
gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs erfüllt. 2. Dabei
erfolgt nach Ansicht des BGH keine Differenzierung zwischen den beiden Alternativen
des § 278 VI ZPO; die formersetzende Wirkung eines Beschlussvergleichs
gilt also unabhängig davon, ob der Vergleichsvorschlag vom Gericht stammt oder
von den Parteien zur Feststellung vorgelegt wurde. Seite 87.8 von 138 - Artikel 868 bis 878 von insgesamt 1376 Artikel in dieser Rubrik. zurück78.879.880.881.882.883.884.885.886.887.888.889.890.891.892.893.894.895.896.8vor
Geschrieben von Ingo GoldLAW Aktuell 19/17 ZR
Geschrieben von Martin MielkeLAW Aktuell 12/17 ÖR
VG
Augsburg, Urteil vom 18.08.2016, Az Au 5 K 14.869, www.gesetze-bayern.de
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BVerfG, Beschl. vom 19.07.2016, 2
BvR 470/08, juris = BayVBl 2017, 88
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