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Staatsexamina
 
Geschrieben von Ingo Gold

LAW Aktuell 17/16 ZR

BAG, Urteil vom 17. Dezember 2015 Az. 2 AZR 304/15; vgl. auch NZA 2016, 568 = NJW 2016, 2054

„Vorsorgliche" Änderungskündigung: einschränkende Auslegung des Klageantrags einer Änderungsschutzklage

Sounds:

1. Ein Arbeitgeber, der erklärt, er spreche die Änderungskündigung vorsorglich nur für den Fall aus, dass er nicht schon einseitig zu der von ihm beabsichtigten Veränderung berechtigt ist, stellt die Kündigung zulässigerweise unter eine auflösende sog. Rechtsbedingung. Das Vorliegen einer solchen Rechtsbedingung kann sich auch aus den Begleitumständen der Kündigungserklärung ergeben.

2. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer – falls er zugleich die einseitige Maßnahme gerichtlich angreift – seinen Änderungsschutzantrag nach § 4 S. 2 KSchG unter die Bedingung stellen, dass über diesen nur befunden wird, wenn es nach Auffassung des Gerichts für die streitgegenständliche Maßnahme einer Vertragsänderung bedarf.

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Geschrieben von Ingo Gold

LAW Aktuell 16/16 ZR

BGH, Beschluss vom 27. Januar 2016, Az. XII ZB 684/14; vgl. auch NJW 2016, 1180

Beginn der Berufungseinlegungs- und Begründungsfrist: Zustellung einer beglaubigten Abschrift reicht!

Sound:

Der Beginn der Fristen zur Berufungseinlegung und -begründung setzt nicht mehr die Zustellung einer Urteilsausfertigung voraus. Entsprechend der nun in § 317 I 1 ZPO enthaltenen Regel genügt die Zustellung einer beglaubigten Abschrift des in vollständiger Form abgefassten Urteils.

Sachverhalt:

Das Landgericht hat eine Klage abgewiesen. Das Urteil wurde den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin in beglaubigter Abschrift am 25. August 2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Am 18. September 2014 hat die Klägerin hiergegen Berufung eingelegt. Mit einem auf den 27. Oktober 2014 datierten und am 29. Oktober 2014 beim OLG eingegangenen Schriftsatz ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin die Berufung begründet.

Ist die Berufung zulässig?

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Geschrieben von Ingo Gold

LAW Aktuell 15/16 ZR

BGH, Urteil vom 22. Dezember 2015; Az. VI ZR 79/15; vgl. auch NJW 2016, 1517

Zustellungsmangel bei Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift: Heilung nach BGH möglich!

Sound:

1. Eine wirksame Zustellung der Klage setzt immer noch die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klage voraus.

2. Bei der durch die Geschäftsstelle veranlassten Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift handelt es sich um eine Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften, die nach § 189 ZPO geheilt werden kann.

Sachverhalt:

Mit ihrer Klage verlangt die klagende Partei Zahlung aus einer Forderung, die zum Ablauf des Jahres verjähren würde. Die der Klage beigefügten Abschriften weisen den Stempel „Beglaubigte Abschrift" auf, sind aber nicht durch Unterschrift des Rechtsanwalts beglaubigt. Unter Verwendung dieser Abschrift wurde die Klage dem Beklagten kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist durch Postzustellungsurkunde zugestellt.

Wurde die Verjährung durch die Klageerhebung rechtzeitig gehemmt?

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Geschrieben von Ingo Gold

LAW Aktuell 14/16 ZR

BGH, Beschluss vom 16. September 2015, Az. XII ZB 340/14; vgl. auch NJW 2016, 503 = FamRZ 2015, 2153

Und wieder ein Problem des § 266 FamFG: Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Familiengericht und Wohnungseigentumsgericht

Sound:

In einer sonstigen Familiensache ist die Zuständigkeit des für Wohnungseigentumssachen zuständigen Gerichts in Ausnahme zu § 266 I Nr. 3 FamFG nur dann begründet, wenn es sich um eine Streitigkeit nach § 43 WEG handelt oder eine bedeutsame Vorfrage aus dem Bereich des Wohnungseigentumsrechts streitentscheidend ist.

Sachverhalt:

Die Beteiligten sind seit Mai 2016 geschiedene Eheleute. Sie hatten einen Ehevertrag abgeschlossen, in dem sie den Güterstand der Gütertrennung vereinbart hatten.

Zum Zeitpunkt der Eheschließung war der Antragsgegner Alleineigentümer eines Grundstücks, das er mit Teilungserklärung vom 8. Juni 2000 in hälftige Miteigentumsanteile aufteilte, die eine Hälfte verbunden mit Sondereigentum an einer Praxis, die andere Hälfte mit Sondereigentum an Wohnräumen.

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Geschrieben von Ingo Gold

LAW Aktuell 13/16 ZR

BGH, Beschluss vom 9. März 2016, Az. XII ZB 693/14; vgl. auch NJW 2016, 1511

Elternunterhalt: Vorrang von zusätzlich geschuldetem Betreuungsunterhalt bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit!

Sounds:

1. Bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit für die Zahlung von Elternunterhalt ist ein von dem Unterhaltspflichtigen zusätzlich geschuldeter Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB als gemäß § 1609 Nr. 2 BGB vorrangige sonstige Verpflichtung i.S.d. § 1603 I BGB von dessen Einkommen abzuziehen.

2. Ein elternbezogener Grund zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts nach § 1615l BGB über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus kann auch darin liegen, dass ein Elternteil das gemeinsame Kind im weiterhin fortdauernden Einvernehmen mit dem anderen persönlich betreut und deshalb voll oder teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Die Mitwirkung an einer solchen Gestaltung der nichtehelichen Gemeinschaft ist dem Pflichtigen im Verhältnis zu einem unterhaltsberechtigten Dritten nach Treu und Glauben nur dann verwehrt, wenn sie rechtsmissbräuchlich erscheint.

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LAW Aktuell Ausübungsschranke eines dinglichen Wohnrechts bei Tötung des Grundstückseigentümers oder einer diesem nahestehenden Person

BGH, Urteil vom 11.03.2016, V ZR 208/15 = jurisbyhemmer

Sound:

1. Will der Grundstückseigentümer oder eine diesem nahestehende Person mit dem Berechtigten eines dinglichen Wohnrechts nicht mehr auf dem belasteten Grundstück zusammenleben, weil der Berechtigte an einem von ihnen ein vorsätzliches Tötungsdelikt begangen hat, kann die unveränderte Ausübung des Wohnungsrechts eine unzumutbare Belastung darstellen, die der Grundstückseigentümer bzw. sein Erbe nicht hinnehmen muss.

2. Folge dessen ist aber regelmäßig nicht die Verpflichtung zur (entschädigungslosen) Aufgabe des Rechts, sondern die Verpflichtung, es auf Verlangen des Grundstückseigentümers nicht mehr selbst, sondern allenfalls durch Überlassung an Dritte auszuüben.

I. Problem:

Ein Grundstück stand im Miteigentum zweier Brüder. Der eine übertrug seinen Miteigentumsanteil schenkweise auf den anderen, behielt sich aber ein dingliches Wohnrecht vor, welches auch eingetragen wurde. In der Folgezeit tötete der Schenker den beschenkten Bruder. Die Mutter als Erbin des getöteten Bruders steht auf dem Standpunkt, das dingliche Wohnrecht sei dadurch entfallen, zumindest müsse es zurückgewährt werden bzw. dürfe nicht mehr ausgeübt werden.

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LAW Aktuell Sukzessive Mittäterschaft – Billigung von bereits abgeschlossenen Handlungen

BGH, Beschluss vom 07.03.2016 – 2 StR 123/15 = jurisbyhemmer

 Sounds:

1. Ein bereits abgeschlossener Tatbeitrag kann im Rahmen einer sukzessiven Mittäterschaft dem beitretenden Mittäter zugerechnet werden, wenn die Tat, welcher der Mittäter beitritt, noch nicht vollendet ist.

2. Ist die Tat oder eine Tatvariante jedoch bereits beendet, ist eine Zurechnung selbst bei späterer Billigung durch einen beitretenden Mittäter nicht möglich.

 

1. Kurzsachverhalt(vereinfacht und abgewandelt): A und B wollen Wertgegenstände stehlen. Hierzu brechen sie nachts in ein Wohnhaus ein, wobei sie davon ausgehen, dass sich niemand in diesem aufhält.

Während B sich in das Wohnzimmer begibt, will A das Schlafzimmer durchsuchen. Dort trifft er jedoch die schlafende O an, die beim Öffnen der Tür aufwacht. A schließt die Tür von außen wieder, während O versucht, die Tür von innen aufzudrücken. A holt daraufhin kurz entschlossen ein Pfefferspray, das zum Einsatz gegen Menschen hergestellt ist, hervor, öffnet die Tür einen Spalt weit und sprüht der O ins Gesicht. Dabei will er O außer Gefecht setzen, um ungestört weiter die Wohnung durchsuchen zu können. Die O erleidet Reizungen in den Augen und Atemwegen.

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Geschrieben von Michael Grieger

LAW Aktuell Falsches Gesetz = Null Punkte!

Kein Sportler würde zu einem Wettbewerb antreten, ohne sich vorher mit den Spielregeln befasst zu haben. Jedes Gesellschaftsspiel beginnt damit, dass sich die Spieler vorher genau die Regeln zu diesem Spiel durchlesen. Die Spielregeln zu kennen, ist eine Selbstverständlichkeit – sollte man meinen. Umso überraschender ist es, dass viele Examenskandidaten zur Prüfung antreten, ohne eines der prüfungsrelevantesten Gesetze jemals in der Hand gehabt zu haben – die jeweilige Prüfungsordnung samt zugehöriger Hilfsmittelbekanntmachung!

Dies wurde auch dem Kläger im Fall des

VGH München, 7 BV 15.1233, Urteil vom 21.01.2016  = jurisbyhemmer

zum Verhängnis. Er legte im Termin 2013/1 den schriftlichen Teil des Ersten Juristischen Staatsexamens in Bayern ab. Bei einer Hilfsmittelkontrolle nach Ausgabe der Prüfungsaufgaben war in der ersten Prüfungsarbeit (Zivilrecht) festgestellt worden, dass K in seiner Aktentasche einen Beck-Text, Deutscher Taschenbuchverlag (dtv), Band 5014, Europarecht (EuR), hatte. Dieser Text war gemäß der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz - Landesjustizprüfungsamt - vom 16. Oktober 2008 über die Hilfsmittel für die Erste Juristische Staatsprüfung (Hilfsmittelbekanntmachung EJS) zur Benutzung in der Prüfung nicht zugelassen. Nach Nr. 1.5 der Hilfsmittelbekanntmachung EJS war der Text Europarecht, Textausgabe, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden als Hilfsmittel zugelassen. Nach Nr. 1.4 der Hilfsmittelbekanntmachung EJS war aus der Reihe Beck-Texte, Deutscher Taschenbuchverlag (dtv), Band 5006, Arbeitsgesetze (ArbG) zugelassen. Aus diesem Grund wurde die erste Prüfungsarbeit wegen Unterschleifs mit Null Punkten bewertet, obwohl Arbeitsrecht in dieser Klausur keinerlei Rolle spielte.

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Geschrieben von Martin Mielke

LAW Aktuell 09/16 ÖR

VGH Mannheim, Urteil vom 23.05.2014, Az 10 S 249/14, VBlBW 2015, 81 

Keine Gnade mit den Nachbarn – „Kinderlärm" ist auch dann zu ertragen, wenn es sich gar nicht mehr um Kinder handelt

Sound:

Auch bei von hoheitlich betriebenen Anlagen ausgehendem Lärm folgt aus einer etwaigen Verletzung des immissionsschutzrechtlichen Vermeidungsgebots gemäß § 22 Abs 1 S 1 Nr 1 BImSchG kein unmittelbarer Abwehranspruch im Nachbarschaftsverhältnis zwischen Störer und Gestörtem; als Anspruchsgrundlage für das Lärmminderungsbegehren von Nachbarn kommt allein der allgemeine öffentlich-rechtliche Abwehranspruch in Betracht.

Sachverhalt:

K ist Mieter eines Hauses in der Gemeinde G, Landkreis O, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein Tennisplatz; dieses Grundstück liegt im Geltungsbereich eines ein Sondergebiet „Ferienpark" ausweisenden Bebauungsplans. 2001 erwarb die Gemeinde das Eigentum an diesem Grundstück. Es kam vermehrt zur Nutzung durch fußball- und hockeyspielende Kinder und Jugendliche. Nachdem die Gemeinde diese Nutzung ursprünglich verboten hatte, duldete sie das Ballspiel in der Folgezeit. Verbotsschilder wurden entfernt, nur ein Hinweis auf die allgemeinen Ruhezeiten wurde angebracht.

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Geschrieben von Martin Mielke

LAW Aktuell 08/16 ÖR

VG Würzburg, Urteil v. 14.1.2014, Az. W 4 K 13.435, veröff. bei www.gesetze-bayern.de

Wenn´s am Grund-VA fehlt, gibt’s keine Vollstreckung. Eine „Rechnung" ist nun mal kein VA

Sound:

Für die Durchführung einer Ersatzvornahme muss ein VA vorliegen, ein bloßer Verweis auf die Verletzung von Pflichten genügt nicht.

Sachverhalt:

K ist Hauseigentümer in der Gemeinde G, Landkreis L. Er betreibt eine Anlage, mit der Regenwasser in eine Zisterne abgeleitet wird und über eine Pumpe in ein gesondertes Grauwassernetz eingespeist werden kann. Dafür bestimmt § 10 Abs. 2 der Wasserabgabesatzung (WAS) der Gemeinde, dass die Anlage so beschaffen sein muss, dass zur Vermeidung von Verkeimungsgefahren für das Trinkwasser keine Verbindung zwischen der Regenwassernutzungsanlage und dem Trinkwassernetz bestehen darf.

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