LAW Aktuell
Geschrieben von Martin MielkeLAW Aktuell 04/16 ÖR
BayVGH, NVwZ-RR 2015, 106
Sound:
Es ist keine unzumutbare Beschränkung einer Versammlung, wenn Auflagen zum Lärmschutz gemacht werden, die nur dem Schutz von Polizeibeamten dienen sollen.
Sachverhalt:
Die AfD, Ortsverband München, führte zahlreiche Versammlungen auf dem Marienplatz in München durch, die jeweils von 10 bis 18 Uhr dauerten. Dabei wurden Lautsprecher aufgestellt und eine Verstärkeranlage benutzt. Da es immer zu Gegendemonstrationen kam, wurden jeweils eine erhebliche Anzahl von Polizeibeamten eingesetzt, die nach dem Einsatz teilweise über ein Taubheitsgefühl und Ohrenschmerzen klagten, weil die am Stand der AfD anwesenden Personen die Verstärkeranlage sehr laut aufdrehten, um die Gegendemonstranten zu übertönen. Auch ansässige Geschäftsleute hatten sich bei der Stadt beschwert über den Lärm. Mit der Anlage waren die Redner auch in 30m Entfernung gut hörbar, bei sehr lauten Gegendemonstranten reduzierte sich die Hörbarkeit auf eine Entfernung von 10m.
Daher erließ die Stadt München als Reaktion auf die nächste Versammlungsanmeldung einen Bescheid, in dem die Anmeldung bestätigt wurde und sodann zahlreiche, als Auflagen bezeichnete Regelungen getroffen wurden. Darunter fand sich in Ziffer 5.2 des Bescheides die Anordnung, wonach die von der Beschallungsanlage ausgehende Lautstärke einen Höchstwert von 85 dB(A), gemessen 1 Meter vor dem Lautsprecher, nicht überschreiten darf.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 06/16 ZR
BAG, Urteil vom 14. Januar 2015, Az. 7 AZR 2/14; vgl. auch NZA 2016, 39
Befristung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Vergleichs nach § 278 VI ZPO: Sachgrund i.S.d. TzBfG nicht immer gegeben!Sound:
1. Ein Vergleich nach § 278 VI S. 1 Alt. 1 ZPO erfüllt - im Gegensatz zu § 278 VI S. 1 Alt. 2 ZPO - nicht die Voraussetzungen des § 14 I 2 Nr. 8 TzBfG, da es an der erforderlichen verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts fehlt.
2. Ein Vergleichsvorschlag kann - wie ein Vertragsangebot - nur unverändert angenommen werden. Eine Annahme unter Änderungen stellt eine Ablehnung dar. Die Beseitigung offenbarer Unrichtigkeiten wie Rechtschreib- oder Grammatikfehler, die nicht zu einer inhaltlichen Änderung führt, stellt dagegen keine Änderung im Sinne von § 150 II BGB dar.
Sachverhalt (etwas vereinfacht):
Die Klägerin war zunächst bei der Beklagten aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags bis zum 31. Dezember 2010 beschäftigt. Gegen diese Befristung erhob die Klägerin Befristungskontrollklage. Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2010 teilte der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Arbeitsgericht Folgendes mit:
„… teile ich mit, dass die Parteien sich außergerichtlich geeinigt haben. Ich bitte Folgendes gemäß § 278 VI ZPO durch Beschluss festzustellen: ….. (es folgt der Wortlaut des späteren gerichtlichen Vorschlags).
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 05/16 ZR
BGH, Urteil vom 14. Juli 2015, Az. VI ZR 326/14; vgl. auch NJW 2015, 2965
Schriftlicher Vergleich nach § 278 VI ZPO: Voraussetzungen eines wirksamen Abschlusses auf Vorschlag des GerichtsSound:
Ein Vergleich nach § 278 VI 1 Fall 2 ZPO kann nur durch Annahme des schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts mit Schriftsatz der Parteien wirksam geschlossen werden.
Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer angeblich fehlerhaften privatärztlichen Behandlung in Anspruch. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 26. März 2014 den Parteien vorgeschlagen, sich wie folgt zu vergleichen:
„1. Der Beklagte zahlt an die Klägerin ohne Anerkennung einer darüber hinausgehenden Rechtspflicht zur Abgeltung sämtlicher in diesem Rechtsstreit geltend gemachter eventueller Ansprüche 3.600 €. Damit sind sämtliche eventuellen Ansprüche - seien sie vorhersehbar oder nicht - der Klägerin gegen den Beklagten …. erledigt. 2. ………… (Kostenabrede)."
Den Vergleichstext hat der Vorsitzende zu Protokoll der mündlichen Verhandlung auf einen Tonträger diktiert. Die Aufzeichnung ist den Parteivertretern und den Parteien vorgespielt worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sodann erklärt:
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 04/16 ZR
BGH, Beschluss vom 30. September 2015, Az. XII ZB 1/15; vgl. auch NJW 2015, 3715
Sounds:
1. § 1614 I i.V.m. §§ 1361 IV 4, 1360a III BGB steht einer vertraglichen Ausgestaltung des Trennungsunterhalts für die Zukunft nicht völlig entgegen. Vielmehr besteht für die Bemessung des Unterhalts insoweit ein Spielraum, innerhalb dessen interessengemäße, angemessene Regelungen vereinbart werden können.
2. Die Beurteilung, ob eine unzulässige Unterschreitung des angemessenen Unterhalts und damit ein nach § 134 BGB unwirksamer Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt vorliegt, setzt voraus, dass zunächst die Höhe dieses angemessenen Unterhaltsanspruchs im hierfür erforderlichen Umfang festgestellt worden ist.
3. Sonstige ehevertragliche Regelungen, die dem Unterhaltsberechtigten zum Vorteil gereichen können, sind in die Prüfung nicht einzubeziehen. Denn die Wirksamkeit der Regelung des Trennungsunterhalts ist isoliert zu betrachten und wird nicht durch Vereinbarungen zu anderen Gegenständen berührt.
Sachverhalt (etwas vereinfacht):
Die Beteiligten streiten um Trennungsunterhalt für die Zeit von Januar 2012 bis Mai 2013. Die Antragstellerin und der Antragsgegner heirateten am 7. Januar 2005. Die Ehe blieb kinderlos. Ende Dezember 2011 trennten sich die Beteiligten. Durch Beschluss vom 13. Februar 2013, rechtskräftig seit dem 7. Mai 2013, wurde ihre Ehe geschieden. Die Beteiligten hatten am 4. Januar 2005 einen notariellen Ehevertrag geschlossen. Dieser enthält zum Unterhalt folgende Regelung:
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 03/16 ZR
BAG, Urteil vom 19. März 2015, Az. 8 AZR 67/14; vgl. auch NZA 2015, 1057
Sounds:
1. Entscheidend für das Vorliegen einer „betrieblichen Tätigkeit" und das Eingreifen des Haftungsausschlusses i.S.v. § 105 I 1 SGB VII ist die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb, in dem sich der Unfall ereignet hat, übertragen war oder die von ihm im Betriebsinteresse erbracht wurde.
2. Ein Schaden, der nicht in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit verursacht wird, sondern nur bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb, ist dem persönlich-privaten Bereich des schädigenden Arbeitnehmers zuzurechnen. Um einen solchen Fall handelt es sich insbesondere, wenn der Schaden infolge einer neben der betrieblichen Arbeit verübten, gefahrenträchtigen Spielerei, Neckerei oder Schlägerei eintritt.
3. Im Berufsausbildungsverhältnis gelten für die Haftung für Schäden, die ein Auszubildender durch sein Verhalten bei einem anderen Beschäftigten verursacht, die gleichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze wie im Arbeitsverhältnis.
Sachverhalt:
Der Kläger und der Beklagte waren als Auszubildende bei einer Firma beschäftigt, die einen Kfz-Handel mit Werkstatt und Lager betreibt. Am Morgen des 24. Februar 2011 arbeitete der damals 19-jährige Beklagte an der Wuchtmaschine.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 02/16 ZR
Sounds:
1. Die bloße Kapitalbeteiligung an anderen Unternehmen ohne eigene Tätigkeit ist grundsätzlich keine Tätigkeit i.S.d. § 74 I HGB. Für eine Verletzung des Wettbewerbsverbots müssen weitere Umstände hinzukommen.
2. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das sich auf jede denkbare Form der Unterstützung eines Konkurrenzunternehmens bezieht, umfasst aber auch das Belassen eines zinslosen Darlehens, das der Arbeitnehmer einem Konkurrenzunternehmen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zum Zweck seiner Gründung ausgereicht hat.
3. Im Einzelfall kann ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers i.S.v. § 74a I Satz 1 HGB daran bestehen, dass sich der ausgeschiedene Mitarbeiter nicht in erheblichem wirtschaftlichem Umfang an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt und so mittelbar in Wettbewerb zum Arbeitgeber tritt.
Sachverhalt:
Der Kläger war seit dem 1. Juli 2007 bei der Beklagten als Betriebsleiter beschäftigt. Die Beklagte stellt Werkzeuge für die Zerspanung her und vertreibt Hartmetalle für Präzisionswerkzeuge.
Unter dem 5. Februar 2007 schlossen die Parteien gegen Zahlung einer Karenzentschädigung eine Wettbewerbsvereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 01/16 ZR
BAG, Urteil vom 26. März 2015, Az. 2 AZR 417/14; vgl. auch NZA 2015, 1083
Betriebsbedingte Kündigung: unwirksam bei auslaufender Befristung eines AlternativarbeitsplatzesSounds:
1. Die in § 1 II S. 2 Nr. 1 Buchst. b, S. 3 KSchG konkretisierte Kündigungsschranke gilt unabhängig davon, ob in dem Betrieb ein Betriebsrat besteht und dieser der Kündigung widersprochen hat.
2. Der Arbeitgeber muss einem Arbeitnehmer, dessen bisheriger Arbeitsplatz weggefallen ist, daher eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit ggf. im Wege der Änderungskündigung anbieten.
3. Dies gilt auch dann, wenn das unternehmerische Konzept dahin geht, den zeitlich ungewissen Beschäftigungsbedarf mit einem Arbeitnehmer abzudecken, der wirksam befristet (weiter)beschäftigt werden kann. Die Möglichkeit, mit einem Stellenbewerber wirksam eine Befristung zu vereinbaren, stellt kein beachtliches, tätigkeitsbezogenes Anforderungsprofil dar.
Geschrieben von Martin Mielke
LAW Aktuell 03/16 ÖR
VG Würzburg, Urteil vom 10.05.2012, W 5 K 11.237,www.gesetze-bayern.de
Tatsächlich noch eine neue Abschleppvariante – zu sportliches Fahren ist unklug
Sounds:
Alleine eine auffällige Fahrweise genügt, um eine Anscheinsgefahr zu begründen. Weitere Anhaltspunkte sind weder für eine Blutentnahme noch für die Beschlagnahmung des Führerscheins erforderlich. Da der Betroffene anschließend sein Fahrzeug nicht mehr bewegen darf, ist ein Abschleppen zulässig.
Sachverhalt:
Am 22. November 2016 gegen 2:25 Uhr befanden sich die beiden Würzburger Polizeibeamten P und G auf Streifenfahrt. In der Neubaustraße fiel ihnen die Fahrweise von S mit seinem Porsche 911 auf, der mit deutliche überhöhter Geschwindigkeit die Straße entlangfuhr und am Ende der Straße an einer Straßenkreuzung ohne anzuhalten ein Stoppschild überfuhr. Sie hielten S an und unterzogen ihn einer Verkehrskontrolle; einen freiwilligen Alkoholtest lehnte S ab. S hatte stark gerötete Augen, bei der Übergabe der Fahrzeugpapiere zitterten seine Hände stark. Die Beamten forderten S auf, für 30 Sekunden die Augen zu schließen (Romberg-Test), er öffnete sie bereits nach 19 Sekunden wieder. Üblich ist bei diesem Test eine Abweichung von höchstens 2 bis 3 Sekunden. Die Polizeibeamten ordneten eine Blutentnahme an und beschlagnahmten den Führerschein. Weiterhin ordneten sie die Sicherstellung des Fahrzeuges an und der Pkw wurde von einem Abschleppunternehmen auf einen nahegelegenen Parkplatz verbracht.
Geschrieben von Martin Mielke
LAW Aktuell 02/16 ÖR
VGH München, Urteil vom 24.07.2014,2 B 14.896, www.gesetze-bayern.de
Sounds:
Solange ein Grundstück dem eisenbahnrechtlichen Fachplanungsrecht unterfällt aufgrund eines noch existierenden Planfeststellungsbeschlusses, kann § 38 BauGB einem Bauvorhaben entgegenstehen. Die gemeindliche Planungshoheit kann verletzt werden, wenn eine Genehmigung erteilt wird, bevor das Grundstück aus der Fachplanung entlassen wird.
Sachverhalt:
B ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 123 der Gemarkung Ostfeld in der gleichnamigen Gemeinde im Landkreis Erlangen-Höchstadt, Regierungsbezirk Mittelfranken. Das Grundstück hat eine Fläche von 7.720 m² und ist derzeit nur mit einem eingeschossigen Wohngebäude mit einer Grundfläche von 100m² bebaut, das früher als Bahnwärterhäuschen benutzt wurde. Auf dem Grundstück selbst befinden sich Rangiergleise, die aber ebenfalls nicht mehr benutzt werden. Es liegt östlich der Bahnlinie Nürnberg-Würzburg in der Nähe des Bahnhofs von Ostfeld. Die Umgebung des Grundstücks ist bebaut, es finden sich diverseste Nutzungen. Nördlich des Baugrundstücks befindet sich nach einem Wegegrundstück die Fl.Nr. 211, die unbebaut ist. Dieses Grundstück grenzt im Norden an den Parkplatz am Bahnhofsgebäude an. Die umgebenden bebauten Grundstücke sind deutlich kleiner, keines weist eine größere Fläche als 800m² auf.
Geschrieben von Martin Mielke
LAW Aktuell 01/16 ÖR
VG Bayreuth, Beschl. vom 21.05.2015, Az. B 4 S 15.281 und BayVGH, Urteil vom 04.06.2013, 12 B 13.183, veröff. unter www.gesetze-bayern.de
Pingelig sein bei § 80 Abs. 6 VwGO – ohne Behördenentscheidung kein Zugang zum GerichtSound:
Eine Fristsetzung für die Entscheidung der Behörde über einen Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO ist möglich, die Frist muss aber mindestens einen Monat betragen. Vor Zustellung der Entscheidung darf kein Antrag zum Gericht gestellt werden.
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Widerspruchsbescheids mittels Übergabeeinschreiben nicht nachweisen, kann der Lauf der Klagefrist frühestens nach Heilung des Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Zugang des Bescheids beginnen.
Sachverhalt:
A ist Eigentümer des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks Fl. Nr. 218 in der Gemarkung Lindental, Landkreis Pfaffenhofen, Regierungsbezirk Oberbayern. Das Grundstück ist 30.411 m² groß. Mit Bescheid vom 25.05.2014 setzte die Gemeinde Lindental gegenüber A einen Herstellungsbeitrag für die Verbesserung der Entwässerungseinrichtung unter Ansatz einer beitragspflichtigen Grundstücksfläche von 2.720 qm (Gebäudeumgriff) und eines Beitragssatzes von 1,07 EUR/qm in Höhe von 2.910,40 EUR fest. Dem Bescheid lag die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 30.09.2004 zugrunde (BGS-EWS 2004).
Allerdings wurde in einer gleichzeitig abgeschlossenen Vereinbarung zwischen A und der Gemeinde niedergelegt, dass wegen der vorgegebenen technischen Situation der Oberflächenentwässerung nur ein Betrag von 50 % des festgesetzten Herstellungsbeitrags = 1.455,20 EUR fällig wird und die Fälligkeit der zurückgestellten Beitragsforderung im Falle einer veränderten technischen Situation der Grundstücksentwässerungsanlage entsteht.
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