LAW Aktuell
Geschrieben von Martin MielkeLAW Aktuell 03/16 ÖR
VG Würzburg, Urteil vom 10.05.2012, W 5 K 11.237,www.gesetze-bayern.de
Tatsächlich noch eine neue Abschleppvariante – zu sportliches Fahren ist unklug
Sounds:
Alleine eine auffällige Fahrweise genügt, um eine Anscheinsgefahr zu begründen. Weitere Anhaltspunkte sind weder für eine Blutentnahme noch für die Beschlagnahmung des Führerscheins erforderlich. Da der Betroffene anschließend sein Fahrzeug nicht mehr bewegen darf, ist ein Abschleppen zulässig.
Sachverhalt:
Am 22. November 2016 gegen 2:25 Uhr befanden sich die beiden Würzburger Polizeibeamten P und G auf Streifenfahrt. In der Neubaustraße fiel ihnen die Fahrweise von S mit seinem Porsche 911 auf, der mit deutliche überhöhter Geschwindigkeit die Straße entlangfuhr und am Ende der Straße an einer Straßenkreuzung ohne anzuhalten ein Stoppschild überfuhr. Sie hielten S an und unterzogen ihn einer Verkehrskontrolle; einen freiwilligen Alkoholtest lehnte S ab. S hatte stark gerötete Augen, bei der Übergabe der Fahrzeugpapiere zitterten seine Hände stark. Die Beamten forderten S auf, für 30 Sekunden die Augen zu schließen (Romberg-Test), er öffnete sie bereits nach 19 Sekunden wieder. Üblich ist bei diesem Test eine Abweichung von höchstens 2 bis 3 Sekunden. Die Polizeibeamten ordneten eine Blutentnahme an und beschlagnahmten den Führerschein. Weiterhin ordneten sie die Sicherstellung des Fahrzeuges an und der Pkw wurde von einem Abschleppunternehmen auf einen nahegelegenen Parkplatz verbracht.
Geschrieben von Martin Mielke
LAW Aktuell 02/16 ÖR
VGH München, Urteil vom 24.07.2014,2 B 14.896, www.gesetze-bayern.de
Sounds:
Solange ein Grundstück dem eisenbahnrechtlichen Fachplanungsrecht unterfällt aufgrund eines noch existierenden Planfeststellungsbeschlusses, kann § 38 BauGB einem Bauvorhaben entgegenstehen. Die gemeindliche Planungshoheit kann verletzt werden, wenn eine Genehmigung erteilt wird, bevor das Grundstück aus der Fachplanung entlassen wird.
Sachverhalt:
B ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 123 der Gemarkung Ostfeld in der gleichnamigen Gemeinde im Landkreis Erlangen-Höchstadt, Regierungsbezirk Mittelfranken. Das Grundstück hat eine Fläche von 7.720 m² und ist derzeit nur mit einem eingeschossigen Wohngebäude mit einer Grundfläche von 100m² bebaut, das früher als Bahnwärterhäuschen benutzt wurde. Auf dem Grundstück selbst befinden sich Rangiergleise, die aber ebenfalls nicht mehr benutzt werden. Es liegt östlich der Bahnlinie Nürnberg-Würzburg in der Nähe des Bahnhofs von Ostfeld. Die Umgebung des Grundstücks ist bebaut, es finden sich diverseste Nutzungen. Nördlich des Baugrundstücks befindet sich nach einem Wegegrundstück die Fl.Nr. 211, die unbebaut ist. Dieses Grundstück grenzt im Norden an den Parkplatz am Bahnhofsgebäude an. Die umgebenden bebauten Grundstücke sind deutlich kleiner, keines weist eine größere Fläche als 800m² auf.
Geschrieben von Martin Mielke
LAW Aktuell 01/16 ÖR
VG Bayreuth, Beschl. vom 21.05.2015, Az. B 4 S 15.281 und BayVGH, Urteil vom 04.06.2013, 12 B 13.183, veröff. unter www.gesetze-bayern.de
Pingelig sein bei § 80 Abs. 6 VwGO – ohne Behördenentscheidung kein Zugang zum GerichtSound:
Eine Fristsetzung für die Entscheidung der Behörde über einen Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO ist möglich, die Frist muss aber mindestens einen Monat betragen. Vor Zustellung der Entscheidung darf kein Antrag zum Gericht gestellt werden.
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Widerspruchsbescheids mittels Übergabeeinschreiben nicht nachweisen, kann der Lauf der Klagefrist frühestens nach Heilung des Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Zugang des Bescheids beginnen.
Sachverhalt:
A ist Eigentümer des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks Fl. Nr. 218 in der Gemarkung Lindental, Landkreis Pfaffenhofen, Regierungsbezirk Oberbayern. Das Grundstück ist 30.411 m² groß. Mit Bescheid vom 25.05.2014 setzte die Gemeinde Lindental gegenüber A einen Herstellungsbeitrag für die Verbesserung der Entwässerungseinrichtung unter Ansatz einer beitragspflichtigen Grundstücksfläche von 2.720 qm (Gebäudeumgriff) und eines Beitragssatzes von 1,07 EUR/qm in Höhe von 2.910,40 EUR fest. Dem Bescheid lag die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 30.09.2004 zugrunde (BGS-EWS 2004).
Allerdings wurde in einer gleichzeitig abgeschlossenen Vereinbarung zwischen A und der Gemeinde niedergelegt, dass wegen der vorgegebenen technischen Situation der Oberflächenentwässerung nur ein Betrag von 50 % des festgesetzten Herstellungsbeitrags = 1.455,20 EUR fällig wird und die Fälligkeit der zurückgestellten Beitragsforderung im Falle einer veränderten technischen Situation der Grundstücksentwässerungsanlage entsteht.
Geschrieben von Martin Mielke
LAW Aktuell 09/15 ÖR
Sachverhalt:
Im Gemeindegebiet der kreisangehörigen Gemeinde Tutzing, Landkreis Starnberg, liegt das Freizeitgelände „Tutzinger Freibad" am Starnberger See, das aus einer großen Liegewiese mit unmittelbarem Seezugang, mehreren hüttenartigen Gebäuden und einem Jugendzeltplatz besteht. Ein Bebauungsplan existiert nicht. Der Landkreis Starnberg will dort 50 Asylsuchende unterbringen. Er will selbst für mindestens zwei bis drei Jahre Container aufbauen. Dies hatte der Landrat des Landkreises Starnberg in einer Gemeinderatssitzung in Tutzing am 19. Mai 2015 geäußert, auf der er das Vorhaben des Landkreises erläutern sollte. Er appellierte an die Gemeinderatsmitglieder, die Zustimmung zu erteilen, da der Landkreis extreme Schwierigkeiten habe, die ihm von der Regierung zugewiesenen Asylbewerber unterzubringen. Das Vorhaben liege zwar im Außenbereich und der Flächennutzungsplan lege eine andere Nutzung fest, jedoch gäbe es kein anderes geeignetes Grundstück zum Aufbau von Containern. Der Landrat äußerte in der Gemeinderatssitzung ebenfalls, dass ein Baugenehmigungsverfahren und ein Zustimmungsverfahren nicht durchgeführt werden würden. Am 23. Juni 2015 wurde mit den Bauarbeiten begonnen.
Der Bürgermeister von Tutzing wandte sich daraufhin an den Landkreis, die Bauaufsicht und die Rechtsaufsicht, diese äußerten sich jedoch nicht.
Geschrieben von Martin Mielke
LAW Aktuell 08/15 ÖR
Sachverhalt: Mit Bescheid vom 22.07.1993 wurde dem damaligen Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 121/3 der Gemarkung Glücksstadt eine Baugenehmigung für ein Wohnhaus mit grenzständiger Doppelgarage erteilt. Die Doppelgarage weist nach dem eingereichten Plan ein Satteldach auf. Die Höhe der grenzständigen Wand sollte 2,75 m betragen, die Länge der Wand 6,25m. Die Baupläne wurden von den Nachbarn, dem Ehepaar Müller, unterschrieben. Nach Aktenlage wurde die genehmigte Garage offensichtlich planabweichend gebaut, das gesamte Anwesen wurde im Jahr 2004 an K verkauft. Die Planabweichung wurde bei einer Baukontrolle im Jahr 2014 festgestellt. K gab an, das das Gebäude und die Garage in der heutigen Form seit ca. 21 Jahren besteht.
Auf Aufforderung des Landratsamtes L stellte K einen Änderungsantrag zu einem genehmigten Vorhaben. Aus den eingereichten Bauzeichnungen ergibt sich, dass die Länge der grenzständigen Wand 9,99 m beträgt. Im rückwärtigen Bereich ist an die Garagen ein Lagerraum angebaut. Die Höhe der grenzständigen Wand beträgt 3,70 m. Gleichzeitig mit dem Bauantrag beantragte K eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 S. 1 BayBO wegen der nicht eingehaltenen Abstandsflächen zum Grundstück des Ehepaars Müller. Dieses ist ein unbebautes Außenbereichsgrundstück. Der Bauantrag wurde mit Bescheid vom 2.6.2015 genehmigt. Die Baugenehmigung enthält keine Abweichungsentscheidung wegen nichteingehaltener Abstandsflächen. Als „wichtiger Hinweis" wurde den Bauherren mitgeteilt, dass das Bauvorhaben im Verfahren nach Art. 59 BayBO geprüft wurde und dass u.a. auch Abstandsflächen nicht geprüft wurden. Der Baugenehmigungsbescheid wurde dem Ehepaar Müller laut Postzustellungsurkunde am 8.6.2015 zugestellt.
Geschrieben von Martin Mielke
LAW Aktuell 07/15 ÖR
VG Würzburg, Urteil vom 22.01.2015, Az. W 5 K 13.1136, veröff. unter www.gesetze-bayern.de
Wenn der Bürger Sheriff spielt – schiefgegangene Untersagungsanordnung bzgl. „martialischem Herumlaufens"Sachverhalt:
W ist Einwohner der Stadt Würzburg. Da er in einer Gegend lebt, die von zahlreichen Kneipen, Gaststätten mit Außenbewirtung und Nachtlokalen geprägt ist, fühlt er sich durch den nächtlichen Lärm häufig gestört. Mit einer aus ca 10 Personen bestehenden Gruppe von Gleichgesinnten gründet er im März 2014 die „Einsatzgruppe Sanderring". Diese macht es sich zum Ziel, durch „Präsenz auf der Straße" die „Auswüchse des Nachtlebens" zu bekämpfen. Die Mitglieder sollten uniformähnliche Kleidung tragen sowie einen Schlagstock und insbesondere laut herumgrölende Nachtschwärmer zur Ruhe ermahnen.
Das Auftreten des W und seiner Gruppe führte zu zahlreichen Beschwerden von Kneipenbesuchern, die sich gegängelt fühlten. Im Rahmen einer Besprechung im September 2014 verboten Mitarbeiter der Stadt dem W mündlich ab sofort, sich auf öffentlicher Fläche im Stadtgebiet zu uniformieren bzw. Waffen und andere gefährliche Gegenstände mit sich zu führen. W sicherte dies zu.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2014 teilte W der Stadt ausführlich mit, dass das Pilotprojekt der „Einsatzgruppe Sanderring" jetzt dauerhaft eingestellt sei. Auf das Tragen uniformähnlicher Kleidung und das Mitsichführen von Schlagstöcken werde verzichtet.
Mit Bescheid vom 14. Mai 2015 untersagte die Stadt dem W unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Tragen von Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen sowie das uniformierte Auftreten im Stadtgebiet von Würzburg auf öffentlichen Flächen.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 26/15 ZR
Sounds:
1. Im Rahmen der Prüfung der Verjährungshemmung nach § 204 I Nr. 1 BGB i.V.m. § 167 ZPO ist bei der Beurteilung der Frage, ob die dem Kläger zuzurechnende Verzögerung der Zustellung der Klageschrift noch als geringfügig anzusehen ist, auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat
2. Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen sind regelmäßig geringfügig und deshalb hinzunehmen.
3. Die Zustellung einer Klage erfolgt noch „demnächst", wenn der Kläger innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Gerichtskostenanforderung und Ablauf einer angemessenen Erledigungsfrist einen Prozesskostenhilfeantrag stellt, sofern sich nach Zugang der Vorschussrechnung ergibt, dass eine zunächst zuverlässig zugesagte Prozessfinanzierung durch einen Dritten nicht zustande kommt.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 25/15 ZR
BGH, Beschluss vom 18. März 2015, Az. XII ZB 424/14; vgl. auch NJW 2015, 1527
PDF-Datei mit eingescannter Unterschrift im Anhang einer Email ans Gericht: Formwahrender Schriftsatz kann vorliegen!Sounds:
1. Eine Beschwerdeschrift ist in schriftlicher Form eingereicht, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der als Anhang einer elektronischen Nachricht übermittelten, die vollständige Beschwerdeschrift enthaltenden PDF-Datei vorliegt.
2. Dem Unterschriftserfordernis ist allerdings nur dann genügt, wenn die Datei durch Einscannen eines von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten handschriftlich unterzeichneten Schriftsatzes hergestellt wurde.
Sachverhalt: (vereinfacht):
Der Beschwerdeführerin wurde ein Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – am 31. Mai 2014 zugestellt. Mit elektronischem Dokument, das am 25. Juni 2014 auf dem elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach des Amtsgerichts eingegangen ist, hat sie Beschwerde eingelegt. Der Beschwerdeschriftsatz war nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Vielmehr wurde der originalunterschriebene Beschwerdeschriftsatz mitsamt Anlagen eingescannt und als PDF-Datei elektronisch an das Gericht versandt.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 24/15 ZR
Sounds:
1. Die Verjährung wird nur dann gemäß § 204 I Nr. 6 BGB gehemmt, wenn es sich um eine zulässige Streitverkündung handelt.2. Dies gilt auch dann, wenn der Streitverkündungsempfänger im Vorprozess beigetreten war und damit zum Streithelfer wurde.
3. Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern sind Ansprüche auf Schadloshaltung i.S.d. § 72 I ZPO.
Sachverhalt (etwas vereinfacht bzw. präzisiert):
Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, verlangt von der beklagten Baugesellschaft aus übergegangenem Recht (§ 86 VVG) Ausgleich von Schadensersatzleistungen, die sie für ihre Versicherungsnehmerin, eine Architektin, im Rahmen einer Berufshaftpflichtversicherung an Bauherren erbracht hat.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 23/15 ZR
Sounds:
1. Zur Verhinderung der Fiktion der fristgerecht und bestimmt genug beantragten Änderung der Arbeitszeit nach § 8 V S. 2 und S. 3 TzBfG bedarf es einer an den Arbeitnehmer gerichteten Willenserklärung, die spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Teilzeit zugegangen sein muss (§ 8 V S. 1 TzBfG).
2. Will der Arbeitgeber den Eintritt der Zustimmungsfiktion des § 8 V S. 2 und S. 3 TzBfG verhindern, erfordert das Gebot der Rechtsklarheit und Transparenz, dass er den Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers hinreichend deutlich ablehnt.
3. Wenn ein Arbeitgeber diese Obliegenheiten missachtet, darf er nicht besserstehen, als ein Arbeitgeber, dessen Zustimmung zum Änderungsvertrag infolge erfolgreicher Leistungsklage durch die gerichtliche Entscheidung nach § 894 S. 1 ZPO als abgegeben gilt.
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