LAW Aktuell
Geschrieben von Martin MielkeLAW Aktuell 07/15 ÖR
VG Würzburg, Urteil vom 22.01.2015, Az. W 5 K 13.1136, veröff. unter www.gesetze-bayern.de
Wenn der Bürger Sheriff spielt – schiefgegangene Untersagungsanordnung bzgl. „martialischem Herumlaufens"Sachverhalt:
W ist Einwohner der Stadt Würzburg. Da er in einer Gegend lebt, die von zahlreichen Kneipen, Gaststätten mit Außenbewirtung und Nachtlokalen geprägt ist, fühlt er sich durch den nächtlichen Lärm häufig gestört. Mit einer aus ca 10 Personen bestehenden Gruppe von Gleichgesinnten gründet er im März 2014 die „Einsatzgruppe Sanderring". Diese macht es sich zum Ziel, durch „Präsenz auf der Straße" die „Auswüchse des Nachtlebens" zu bekämpfen. Die Mitglieder sollten uniformähnliche Kleidung tragen sowie einen Schlagstock und insbesondere laut herumgrölende Nachtschwärmer zur Ruhe ermahnen.
Das Auftreten des W und seiner Gruppe führte zu zahlreichen Beschwerden von Kneipenbesuchern, die sich gegängelt fühlten. Im Rahmen einer Besprechung im September 2014 verboten Mitarbeiter der Stadt dem W mündlich ab sofort, sich auf öffentlicher Fläche im Stadtgebiet zu uniformieren bzw. Waffen und andere gefährliche Gegenstände mit sich zu führen. W sicherte dies zu.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2014 teilte W der Stadt ausführlich mit, dass das Pilotprojekt der „Einsatzgruppe Sanderring" jetzt dauerhaft eingestellt sei. Auf das Tragen uniformähnlicher Kleidung und das Mitsichführen von Schlagstöcken werde verzichtet.
Mit Bescheid vom 14. Mai 2015 untersagte die Stadt dem W unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Tragen von Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen sowie das uniformierte Auftreten im Stadtgebiet von Würzburg auf öffentlichen Flächen.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 26/15 ZR
Sounds:
1. Im Rahmen der Prüfung der Verjährungshemmung nach § 204 I Nr. 1 BGB i.V.m. § 167 ZPO ist bei der Beurteilung der Frage, ob die dem Kläger zuzurechnende Verzögerung der Zustellung der Klageschrift noch als geringfügig anzusehen ist, auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat
2. Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen sind regelmäßig geringfügig und deshalb hinzunehmen.
3. Die Zustellung einer Klage erfolgt noch „demnächst", wenn der Kläger innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Gerichtskostenanforderung und Ablauf einer angemessenen Erledigungsfrist einen Prozesskostenhilfeantrag stellt, sofern sich nach Zugang der Vorschussrechnung ergibt, dass eine zunächst zuverlässig zugesagte Prozessfinanzierung durch einen Dritten nicht zustande kommt.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 25/15 ZR
BGH, Beschluss vom 18. März 2015, Az. XII ZB 424/14; vgl. auch NJW 2015, 1527
PDF-Datei mit eingescannter Unterschrift im Anhang einer Email ans Gericht: Formwahrender Schriftsatz kann vorliegen!Sounds:
1. Eine Beschwerdeschrift ist in schriftlicher Form eingereicht, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der als Anhang einer elektronischen Nachricht übermittelten, die vollständige Beschwerdeschrift enthaltenden PDF-Datei vorliegt.
2. Dem Unterschriftserfordernis ist allerdings nur dann genügt, wenn die Datei durch Einscannen eines von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten handschriftlich unterzeichneten Schriftsatzes hergestellt wurde.
Sachverhalt: (vereinfacht):
Der Beschwerdeführerin wurde ein Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – am 31. Mai 2014 zugestellt. Mit elektronischem Dokument, das am 25. Juni 2014 auf dem elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach des Amtsgerichts eingegangen ist, hat sie Beschwerde eingelegt. Der Beschwerdeschriftsatz war nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Vielmehr wurde der originalunterschriebene Beschwerdeschriftsatz mitsamt Anlagen eingescannt und als PDF-Datei elektronisch an das Gericht versandt.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 24/15 ZR
Sounds:
1. Die Verjährung wird nur dann gemäß § 204 I Nr. 6 BGB gehemmt, wenn es sich um eine zulässige Streitverkündung handelt.2. Dies gilt auch dann, wenn der Streitverkündungsempfänger im Vorprozess beigetreten war und damit zum Streithelfer wurde.
3. Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern sind Ansprüche auf Schadloshaltung i.S.d. § 72 I ZPO.
Sachverhalt (etwas vereinfacht bzw. präzisiert):
Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, verlangt von der beklagten Baugesellschaft aus übergegangenem Recht (§ 86 VVG) Ausgleich von Schadensersatzleistungen, die sie für ihre Versicherungsnehmerin, eine Architektin, im Rahmen einer Berufshaftpflichtversicherung an Bauherren erbracht hat.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 23/15 ZR
Sounds:
1. Zur Verhinderung der Fiktion der fristgerecht und bestimmt genug beantragten Änderung der Arbeitszeit nach § 8 V S. 2 und S. 3 TzBfG bedarf es einer an den Arbeitnehmer gerichteten Willenserklärung, die spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Teilzeit zugegangen sein muss (§ 8 V S. 1 TzBfG).
2. Will der Arbeitgeber den Eintritt der Zustimmungsfiktion des § 8 V S. 2 und S. 3 TzBfG verhindern, erfordert das Gebot der Rechtsklarheit und Transparenz, dass er den Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers hinreichend deutlich ablehnt.
3. Wenn ein Arbeitgeber diese Obliegenheiten missachtet, darf er nicht besserstehen, als ein Arbeitgeber, dessen Zustimmung zum Änderungsvertrag infolge erfolgreicher Leistungsklage durch die gerichtliche Entscheidung nach § 894 S. 1 ZPO als abgegeben gilt.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 22/15 ZR
Sounds:
1. Der Anspruch auf Jahresurlaub und derjenige auf Zahlung des Urlaubsentgelts sind als die zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs zu behandeln. Durch das Erfordernis der Zahlung dieses Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist.
2. Ein Arbeitgeber gewährt durch eine (hilfsweise) Freistellungserklärung für den Zeitraum nach dem Zugang einer fristlosen Kündigung daher nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.
Sachverhalt: (etwas vereinfacht):
Der Kläger war seit dem 1. Oktober 1987 in Fünf-Tage-Woche bei der Beklagten beschäftigt. Es ist ein Jahresurlaub von 24 Tagen vereinbart. Der Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1987 regelt unter Ziff. 6 Folgendes: „Der Arbeitgeber ist berechtigt, den/die Angestellten jederzeit unter Fortzahlung des letzten monatlichen Gehaltes von der Arbeit freizustellen."
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 21/15 ZR
Sounds
1. Die Überschuldung des Nachlasses stellt ebenso wie umgekehrt eine tatsächlich nicht gegebene Überschuldung des Nachlasses eine verkehrswesentliche Eigenschaft i.S.v. § 119 II BGB dar.
2. Für die Anfechtung der Anfechtungserklärung der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft sowie der Versäumung der Ausschlagungsfrist (§ 1956 BGB) gelten die Fristen des § 121 BGB, nicht diejenigen des § 1954 BGB.
Sachverhalt:
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind neben einem nachverstorbenen Bruder die Kinder der am 18. Juni 1996 verstorbenen verwitweten Erblasserin; die Beteiligten zu 3 bis 5 sind die Kinder der Beteiligten zu 1. Die Erblasserin hinterließ keine letztwillige Verfügung.
Geschrieben von Ingo Gold
LAW Aktuell 20/15 ZR
Günstigkeitsvergleich zwischen gesetzlicher und vertraglicher Kündigungsfrist: Durchführung eines Gesamtvergleichs nötig!
Sachverhalt:
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 21 Jahren tätig. In ihrem Arbeitsvertrag heißt es in § 8 Nr. 1:
„Die Kündigungsfrist beträgt beiderseits sechs Monate zum 30. Juni oder 31. Dezember des Jahres."
Die Beklagte möchte nun im Juni 2015 wegen Betriebsschließung eine Kündigung erklären. Wie ist die Kündigungsfrist zu beurteilen?Sound
Eine vertragliche Kündigungsfrist kann sich gegen die maßgebliche gesetzliche Kündigungsfrist nur durchsetzen, wenn sie in jedem Fall zu einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Es genügt nicht, dass die vertragliche Regelung für die längere Zeit innerhalb eines Kalenderjahres den besseren Schutz gewährt.
Geschrieben von Michael Tyroller
LAW Aktuell Haftung des Fahrzeughalters für das Falschparken des Fahrzeugführers
BGH, Urteil vom 18.12.2015, V ZR 160/14 = jurisbyhemmer
Sound:
1. Bei einem Vertrag über die kurzzeitige Nutzung eines jedermann zugänglichen privaten Parkplatzes ist eine unbedingte Besitzverschaffung durch den Parkplatzbetreiber nicht geschuldet. Macht er das Parken von der Zahlung der Parkgebühr und dem Auslegen des Parkscheins abhängig, begeht derjenige verbotene Eigenmacht, der sein Fahrzeug abstellt, ohne sich daran zu halten.
2. Hat ein Fahrzeughalter sein Fahrzeug einer anderen Person überlassen, kann er als Zustandsstörer unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (sog. „vorbeugender Unterlassungsanspruch"). Die Erstbegehungsgefahr besteht dann, wenn der Fahrzeughalter auf die Aufforderung des Parkplatzbetreibers, den für eine Besitzstörung verantwortlichen Fahrer zu benennen, schweigt.
3. Dem Parkplatzbetreiber steht gegen den als Zustandsstörer auf Unterlassung in Anspruch genommenen Fahrzeughalter kein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Halteranfrage zu.
Geschrieben von Michael Tyroller
LAW Aktuell Volksbegehren „Legalize it“
In Deutschland gibt es diverse Bemühungen, den Konsum sog. weicher Drogen wie Marihuana zu legalisieren. In Bayern wählten die Cannabis-Befürworter den Ansatz, durch ein Volksbegehren den Konsum entsprechender Produkte in Bayern unter bestimmten Voraussetzungen zu legalisieren.
Der
BayVerfGH, Entscheidung vom 21.01.2016, Vf. 66-IX-15 =jurisbyhemmer
wurde vom Bayerischen Innenministerium angerufen, da dieses das Ziel des Volksbegehrens als verfassungswidrig ansah.
Der BayVerfGH bestätigt diese Sicht der Dinge: In ständiger Rechtsprechung misst der Verfassungsgerichthof den Gesetzentwurf des Volksbegehrens nicht nur an der Bayerischen Verfassung, sondern überprüft ihn auch daraufhin, ob er mit Bundesrecht, insbesondere mit den Kompetenznormen des Grundgesetzes, vereinbar ist. Ein Landesgesetz, das gegen die Art. 70 ff. GG verstößt, verletzt auch das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 I BV.
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